22. Enquete, vom 19.2.2025 von Simon Huber
Eine längst überfällige Enquete: Denn im Spielzug steckt vor allem das Ziehen als Metapher. Streng genommen kommt dies auch nur sehr selten vor. Wir heben Karten ab, Ziehen den Kürzeren, oder Figuren ins Feld. Es handelt sich um Entscheidungen — oder im Falle des Losens: nicht-Entscheidungen, bzw. Delegationen von Entscheidungen. Bei Übersetzungen wird klar, wie unterschiedlich der Sprachgebrauch ist: move, pick, draw, draft, drag and drop – in der Interface-Kultur. Auf Französisch sagt man vielleicht eher coup oder enchainment im Falle eine Serie von taktischen Aktionen; eine Verkettung oder Kopplung – womit wir wieder beim Zug als Substantiv wären. Auf Deutsch jedenfalls ist die Spielaktion per se allgemein gebräuchlich mit einer ziehenden Bewegung verknüpft.
Warum eigentlich?
In einem engen Sinn ist keine andere spielerische Implementierung des Ziehens eingebracht worden, außer das vorgebrachte Tauziehen. In diesem Kraftmessen, gewinnen jene Spieler*innen, die ihre Kraft besser zur Geltung bringen können; jene, die sich mehr ‘ins Zeug hauen’. Der Spielstand ist immer klar einsichtig, man möchte die markierte Mitte des Seils über die eigene Grenze ziehen und damit einen Sieg markieren. Ein kontinuierliches hin-und-her-ziehen läuft auf einen entscheidenden Punkt hinaus.
Je feiner abgestuft ein Spielverlauf ist, etwa in abwechselnden Runden, desto klarer lassen sich einzelne Züge unterscheiden, die dann gemeinsam taktische Manöver bilden. Anstatt laufendem Ringen, rattert in kleinen Platzierungen und Sequenzen eine Strategie ab. Jede Aktion zielt auf eine Zustandsveränderung ab, rückt also im eindimensionalen dafür bewegten Bild des Tauziehens den Knotenpunkt näher an die eigene Ziellinie.
In den sprachlichen Verwandtschaften lassen sich strategisch-nachdenkliche, Sorge tragende, jedenfalls Absichtsvolle Bemühungen aufspüren, die sich in Spielzügen artikulieren. Das Ziehen erscheint als Gegensatz zum Werfen und Entwerfen, einem etwas ergebnisoffeneren Probehandeln und Austesten der manuellen Fähigkeiten. Schon gibt es riskante Züge, aber im Zug selbst ist kein Wagnis. Es koppeln sich eine Reihe von Entscheidungen zu einem Konzept, einem Plan, während sich ein Bild vom eigenen Handeln beim Werfen, Stoßen und Schlagen (anderer Objekte in einen Spielzusammenhang) erst sukzessive abzeichnet, korrigiert und angepasst wird. Man bringt nicht seine Ressourcen optimal ins Spiel, sondern eignet sich den Spielraum an.
Auf dem Schachbrett domniniert man durch die Konfiguration der eigenen Spielsteine und Figuren den Möglichkeitsraum, den sie Bewegungsmuster der Figuren zulassen. Selbst ist man Stellvertreten durch den König, der sobald er matt gesetzt ist keine Entscheidung mehr tätigen kann. Sein Möglichkeitsraum ist auf das eine Feld zusammengeschrumpft. Doch solange es gut läuft weitet man seinen Einflussbereich aus, zieht an den Strippen. Im Gegensatz zum positiven Werfen bezieht man sich nicht auf einen statischen Raum (der Billiardtisch, der Petanque-Sandkasten, die Zielscheibe), der sich um das Spielziel herum organisiert. Das Ziehen verengt den Raum zu eigenen Gunsten für den Gegner. Man eignet sich Territorium an.
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