Drehen

19. Enquete vom 8. Jänner 2025

Drehen ist eine uralte menschliche Bewegung – und eine zentrale Technik des Spielens. Ob als Spielmechanik, als ritualisierte Bewegung oder als soziale Anordnung: Das Drehen eröffnet Räume, verändert Perspektiven und balanciert zwischen Kontrolle und Kontrollverlust. In seinem Vortrag im Rahmen des Ludologischen Symposiums entfaltet Fabian Seiser das Drehen als komplexe Kulturtechnik. Dieser Beitrag folgt seinen Gedanken und vertieft die Bedeutung des Drehens im Spiel und darüber hinaus.


Was heißt eigentlich “drehen”?

Drehen bedeutet mehr als das Rotieren eines Objekts. Es ist ein Akt mit vielfältiger Bedeutung:

  • Mechanische Rotation: Zahnräder, Drehscheiben, Spielbretter.
  • Soziale Anordnung: Kreisbildung im Spiel oder Gespräch.
  • Erfahrung: Desorientierung, Rhythmus, Ritual.

Seiser unterscheidet zwei Grundformen:

  • Gerichtetes Drehen: gezieltes Einstellen eines Zustands (z. B. Zahlenrad, Spielmechanik).
  • Ungerichtetes Drehen: lustbetontes, kontingenzoffenes Rotieren (z. B. Karussell, Kreisel).

Diese Unterscheidung eröffnet den Blick auf das Drehen als ambivalente Handlung zwischen Präzision und Rausch.


Drehen im Spiel: Mechanik und Metapher

Drehen ist in vielen Spielen zentrales Handlungselement. Einige Beispiele:

  • Drehscheiben: zur Code-Eingabe (Exit Games), zum Zustandswechsel oder als Zufallsgenerator.
  • Tappen bei Magic: Drehen von Karten zur Aktivierung – eine elegante Geste zur Markierung des Spielzustands.
  • Drehbare Spielfelder: z. B. modulare Pläne in Stadt- oder Aufbauspielen.

Dabei ist das Drehen stets mehr als Bewegung – es ist Regelträger, Informationsquelle und Statusanzeige.


Der Kreis als Form und Symbol

Das Drehen ist formal an den Kreis gebunden. Dieser bringt kulturelle Bedeutungen mit sich:

  • Gleichheit: Jeder Punkt des Kreises ist gleich weit vom Zentrum entfernt – ideal für faire Spielanordnungen.
  • Zugehörigkeit: Im Kreis wird niemand ausgeschlossen, alle sind „drin“.
  • Zirkularität: Keine Richtung, kein Ziel – das Drehen verweigert Linearität.

Der Kreis als soziale Spielordnung (z. B. Stuhlkreis) erzeugt Räume der Offenheit, ohne Zentrum oder Hierarchie.


Rausch und Desorientierung: Die andere Seite des Drehens

Nicht jedes Drehen ist gezielt oder produktiv. In Spielen wie Flaschendrehen, Karussellfahren oder dem Kreisel steht der Kontrollverlust im Zentrum:

  • Spannung durch Zufall: Wer wird gewählt? Wo zeigt die Flasche hin?
  • Rauschhaftigkeit: Wiederholtes Drehen verändert Wahrnehmung.
  • Körperliche Erfahrung: Schwindel, Lachen, Ekstase.

Hier wird das Drehen zur ästhetischen Erfahrung, zum Generator für soziale Dynamik und Emotion.


Drehen als Regelstruktur: Indexikalische Systeme

Drehbewegungen erzeugen Zustände – etwa durch Anzeigen, Codierungen oder Richtungen:

  • Kompass: Orientierung durch Drehen.
  • Exit Games: Codierscheiben als zentrale Spielmechanik.
  • Zahnräder: Mechanische Kopplung von Handlungen im Spiel.

Das Drehen ist dabei immer auch ein Informationszugriff: Wer dreht, verändert den Zugriff auf Bedeutung.


Spiel im Kreis: Raum ohne Zentrum

Drehen ist nicht nur Bewegung, sondern auch Anordnung:

  • Kinderspiele im Kreis: z. B. “Alle meine Entchen” oder “Der Plumpsack”.
  • Kreis als Spielstart: Chancengleichheit durch symmetrische Anordnung.
  • Kreis als Begegnungsraum: ohne Front, ohne Rückseite.

Der Kreis wird zum Raum, in dem alle gleich viel sehen, sagen, hören dürfen – ein demokratisches Ideal, das im Spiel konkret erfahrbar wird.


Historische Tiefen: Drehen als Denk- und Wissensform

Drehen hat eine lange Kulturgeschichte:

  • Raimund Lulls Kombinationsräder: Wissen durch Drehen generieren.
  • Räderuhren: Zeitmessung durch Rotation.
  • Planetensphären: Kosmisches Weltbild als drehende Ordnung.

Diese historischen Formen zeigen: Drehen war nicht nur Spielerei, sondern eine epistemische Technik – also eine Art, Wissen zu strukturieren und Welt zu verstehen.


Fazit: Drehen als dynamische Kulturtechnik

Drehen ist eine Bewegung – aber nicht beliebig. Sie strukturiert Spiele, Räume, Bedeutungen. Sie kann Rausch erzeugen, Regeln setzen, Beziehungen schaffen. Fabian Seiser zeigt mit seinem Vortrag eindrucksvoll:

  • Drehen ist spielerisch, symbolisch und sozial.
  • Es eröffnet Zugänge zu Wissen, Erfahrung und Interaktion.
  • Es ist eine Technik, mit der wir die Welt lesen, strukturieren und auch verändern.

Spiele nutzen das Drehen gezielt – als Werkzeug zur Sinnproduktion, zur Verhandlung von Zufall und Kontrolle, zur Gestaltung von Raum und Beziehung. In diesem Sinne ist Drehen mehr als ein Akt: Es ist ein kulturelles Programm.


Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Fabian Seiser im Rahmen des Ludologischen Symposiums am 8. Januar 2025 – zusammen gefasst von ChatGPT-4.


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